Hinterstein will erstes deutsches Bergsteigerdorf werden.
So lautet die Schlagzeile in der Allgäuer Zeitung bzw. Pressemitteilung der Gemeinde:
http://www.all-in.de/nachrichten/rundschau/Rundschau-praedikat-tourismus-bergsteigen-dav-alpenverein-Hinterstein-soll-erstes-deutsches-Bergsteigerdorf-werden;art2757,1394776http://www.denkinger-kommunikation.com/bad-hindelang-hinterstein-das-bayerische-zermatt-heilklimatischer-kurort-moechte-erstes-bergsteigerdorf-in-deutschland-werden/Nach österreichischem Vorbild der „Bergsteigerdörfer“ möchte nun auch Hindelang mit seinem Ortsteil Hinterstein zum Bergsteigerdorf werden.
http://www.bergsteigerdoerfer.at/Meiner Ansicht nach eine gute Sache.
Doch was ist eigentlich ein Bergsteigerdorf? Welche Voraussetzungen sollte es erfüllen?
Zunächst einmal muss natürlich eine bergsteigerisch interessante Umgebung vorhanden sein. Dass kann man beim Ostrachtal ohne weiteres bestätigen, auch wenn die Bezeichnung „bayerisches Zermatt“schon sehr hochstaplerisch klingt.
Im Ostrachtal haben wir:• Deutschlands bestes Skitourengebiet mit rund 40 eigenständigen Touren von leicht bis extrem
• Zahlreiche Klettergärten (Weihar, Voglere, Kellerwand, Zipfelschrofen usw.)
• Mountainbikestrecken
• Eine abwechslungsreiche Gebirgslandschaft von sanften Voralpenhügel bis zum felsstarrenden Hochgebirge
• Ein ausgedehntes Netz an Wanderwegen
• Zwei Alpenvereinshütten
• Einige alpine Kletterrouten an der Fuchskarspitze, am Schneck, am Kleinen Daumen, an den Wengenköpfen
• zahlreiche nicht mit Wegen erschlossene Gipfel, deren Besteigung irgendwo zwischen Wanden und Klettern anzusiedeln sind; das klassische bergsteigen also.
Reicht dies um sich „Bergsteigerdorf“ zu nennen?
Dazu gehört mehr. Nämlich:
• eine breite Akzeptanz der Bevölkerung an bergsteigerische Aktivitäten
• gut eingerichtete Klettergärten,
• leicht erreichbare Skitouren,
• ein auf den Bergsteiger abgestimmtes Übernachtungsangebot.
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Nicht zu einem Bergsteigerdorf passen:Überzogene Parkgebühren (wie es sie zu Zeiten von Bürgermeister Haug gab)
Im Winter schlechte und zu späte Busverbindungen in das Skitourengebiet (Giebelhaus)
Querelen um das Mountainbiken, wie es sie um den geplanten Beitrag „Bikesteigen“ am Daumen im Bayerischen Fernsehen gab.
Teilweise von der Jagd blockierte Wanderwege (Mösle-Nicken)
Im Einzelnen:Eine breite Akzeptanz der Bevölkerung an bergsteigerischen Aktivitäten von Einheimischen, Nachbarn und Urlaubern,
Wollen wir mehr Leute in unseren Bergen? Gerade im Winter auf Skitour? Sind wir bereit unsere Berge mit fremden Bergsteigen zu Teilen, oder möchten wir unsere Übernachtungsgäste lieber nur auf dem Wanderautobahnen , der Skipiste und in der Gaststätte sehen?
Gut eingerichtete Klettergärten,Klettergärten haben wir. Die IG Klettern Allgäu arbeitet gerade an der Generalsanierung des Klettergarten „Weihar“
https://www.facebook.com/kristian.rath/media_set?set=a.375977342523448.1073741829.100003335573909&type=1 Doch wie schaut es in Hinterstein am Zipfelschrofen, an der Voglere aus? Tirol macht es mit dem Projekt „climbers Paradise“ vor, wie man dieses Potential nutzt. In Italien übernimmt oft die Gemeinde die Pflege und Einrichtung von Klettergärten.
Leicht erreichbare Skitouren,Wir haben im Gemeindegebiet Hindelang das beste Skitourenrevier in ganz Deutschland. Die meisten Touren befinden rund um das Giebelhaus. Leider (oder zum Glück) sind diese nur logistisch aufwendig zu erreichen. Die Straße ist für den KFZ verkehr gesperrt, der Linienbus fährt in der Regel zu spät. Zu einem Bergsteigerdorf gehört es aber, dieses Potential zu nutzen und die Erreichbarkeit zu ermöglichen. Ein Sammeltaxi oder das von Mountain-Wilderness-Schweiz prämierte System des Tälertaxis wären eine Lösung die Erreichbarkeit außerhalb der der Busfahrzeiten zu ermöglichen. Die einzige wirklich lohnende Skitour direkt von Hinterstein aus,(Heubatspitze) führt unten durch dichten Wald. Hier wären die Freiflächen mittels Schneise gemäß dem Pfrontner Modell am Schönkahler zu verbinden.
Die Frage ist, ob wir das alles überhaupt wollen?Auf den Bergsteiger abgestimmtes Übernachtungsangebot.Je ambitionierter ein Bergsteiger ans Werk geht, umso wichtiger ist es, die aktuellen Verhältnisse zu berücksichtigen, wenn man seine Touren erfolgreich und sicher durchführen möchte. Man plant kurzfristig und legt das Ziel erst wenige Tage oder Stunden vor der Abfahrt fest. Man übernachtet vielleicht nur von Samstag auf Sonntag und wendet sich einem anderen Ziel zu, wenn dort die Bedingungen günstiger sind. Ein Bergsteigerdorf muss auf dieses Verhalten eingestellt sein.
Man braucht so zu sagen“
die Hütte im Tal“ Eine einfache und preiswerte Unterkunft, die unkompliziert und rasch verfügbar ist, aber auch über zubuchbaren Komfort und Leistungen für längere Aufenthalte verfügt.
Haben wir das? Der ehemalige „Steinadler“ oder der „Grüne Hut“ würden sich dafür eigenen. Hier ein Beispiel aus der Schweiz:
http://www.mountainhostel.ch/de/mountain-hostel-grindelwald/unterkunftFazit:Das Potential ist vorhanden. Um wirklich zum Bergsteigerdorf zuwerden sind noch einige Veränderungen nötig. Sonst bleibtder Titel eine leere Worthülse. Die Frage ist, ob wir in der Gemeinde Hindelang das wollen? Bei Abwägung von allem für und wider würde ich es befürworten, auch wenn ich dann mal neben anderen Einheimischen und Nachbarn aus dem Allgäuer Raum die Skitour oder den Fels mit einem „Bergsteigerurlauber“ teilen muss.
Seit der Regentschaft von Bürgermeister Martin hat es in der Gemeinde Hindelang einige positive Veränderungen gegeben. Adi Martin ist es also zuzutrauen, dass er auch hier die Weichen richtig stellt. Die Rolle des DAV sehe ich hingegen als fraglich an. Viel zu oft verstrickt sich dieser Moloch in eigenen Widersprüchen und vertritt Bergsteigerinteressen nur halbherzig oder gar nicht. Ein besserer Ansprechpartner dafür wäre die IG Klettern Allgäu. Mit dem Kletterkonzept am Besler oder der Sanierung im Klettergarten Weihar hat diese ihre Kompetenz in Bergsteigerangelegenheiten klar unter Beweis gestellt.
Wenn wir im Ostrachtal ein Bergsteigerdorf bekommen, so ist dies gut. Wenn nicht, so ist das auch in Ordnung. Nicht in Ordnung wäre es nur, sich mit dem Titel zu schmücken, ohne das „Bergsteigerdorf“ wirklich zu leben.Definition Bergsteigen lt. Duden/Wikipedia
Das Bergsteigen ist eine Form des Bergsports und umfasst verschiedene Aktivitäten in Fels, Firn und Eis bzw. eine Kombination dessen, bis zum sogenannten Höhenbergsteigen Zum Winterbergsteigen gehören etwa Skitouren,Schneeschuhwandern und Eisklettern. Im erweiterten Sinn wird Bergsteigen auch als Alpinismus bezeichnet und umfasst Tätigkeiten wie Bergwandern, Alpinwandern und Trekking.
Anmerkung: Natürlich stehen uns im Ostrachtal keine Hochtouren zu Verfügung. Per Definition ist Bergsteigen jedoch mehr, als nur zum Prinz-Luitpold-Haus zu Wandern. Andere Definitionen betrachten als Bergsteigen den Bereich der irgendwo zwischen Wandern und Klettern liegt.