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Hinterstein will erstes deutsches Bergsteigerdorf werden.  (gelesen 10710 mal)

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Offline Kristian

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Hinterstein will erstes deutsches Bergsteigerdorf werden.


So lautet die Schlagzeile in der Allgäuer Zeitung bzw. Pressemitteilung der Gemeinde:

http://www.all-in.de/nachrichten/rundschau/Rundschau-praedikat-tourismus-bergsteigen-dav-alpenverein-Hinterstein-soll-erstes-deutsches-Bergsteigerdorf-werden;art2757,1394776


http://www.denkinger-kommunikation.com/bad-hindelang-hinterstein-das-bayerische-zermatt-heilklimatischer-kurort-moechte-erstes-bergsteigerdorf-in-deutschland-werden/

Nach österreichischem Vorbild der „Bergsteigerdörfer“ möchte nun auch Hindelang mit seinem Ortsteil Hinterstein zum Bergsteigerdorf werden.


http://www.bergsteigerdoerfer.at/

Meiner Ansicht nach eine gute Sache. Doch was ist eigentlich ein Bergsteigerdorf? Welche Voraussetzungen sollte es erfüllen?


Zunächst einmal muss natürlich eine bergsteigerisch interessante Umgebung vorhanden sein. Dass kann man beim Ostrachtal ohne weiteres bestätigen, auch wenn die Bezeichnung „bayerisches Zermatt“schon sehr hochstaplerisch klingt.

Im Ostrachtal haben wir:

•   Deutschlands bestes Skitourengebiet mit rund 40 eigenständigen Touren von leicht bis extrem
•   Zahlreiche Klettergärten (Weihar, Voglere, Kellerwand, Zipfelschrofen usw.)
•   Mountainbikestrecken
•   Eine abwechslungsreiche Gebirgslandschaft von sanften  Voralpenhügel bis zum felsstarrenden Hochgebirge
•   Ein ausgedehntes Netz an Wanderwegen
•   Zwei Alpenvereinshütten
•   Einige alpine Kletterrouten an der Fuchskarspitze, am Schneck, am Kleinen Daumen, an den Wengenköpfen
•   zahlreiche nicht mit Wegen erschlossene Gipfel, deren Besteigung irgendwo zwischen Wanden und Klettern anzusiedeln sind; das klassische bergsteigen also.

Reicht dies um sich „Bergsteigerdorf“ zu nennen?
Dazu gehört mehr. Nämlich:

•   eine breite Akzeptanz der Bevölkerung an bergsteigerische Aktivitäten
•   gut eingerichtete Klettergärten,
•   leicht erreichbare Skitouren,
•   ein auf den Bergsteiger abgestimmtes Übernachtungsangebot.

   
Nicht zu einem Bergsteigerdorf passen:
Überzogene Parkgebühren (wie es sie zu Zeiten von Bürgermeister Haug gab)
Im Winter schlechte und zu späte Busverbindungen in das Skitourengebiet (Giebelhaus)
Querelen um das Mountainbiken, wie es sie um den geplanten Beitrag „Bikesteigen“ am Daumen im Bayerischen Fernsehen gab.
Teilweise von der Jagd blockierte Wanderwege (Mösle-Nicken)



Im Einzelnen:

Eine breite Akzeptanz der Bevölkerung an bergsteigerischen Aktivitäten von Einheimischen, Nachbarn und Urlaubern,
Wollen wir mehr Leute in unseren Bergen? Gerade im Winter auf Skitour? Sind wir bereit unsere Berge mit fremden Bergsteigen zu Teilen, oder möchten wir unsere Übernachtungsgäste lieber nur auf dem Wanderautobahnen , der Skipiste und in der Gaststätte sehen?
Gut eingerichtete Klettergärten,
Klettergärten haben wir. Die IG Klettern Allgäu arbeitet gerade an der Generalsanierung des Klettergarten „Weihar“ https://www.facebook.com/kristian.rath/media_set?set=a.375977342523448.1073741829.100003335573909&type=1  Doch wie schaut es in Hinterstein am Zipfelschrofen, an der Voglere aus? Tirol macht es mit dem Projekt „climbers Paradise“ vor, wie man dieses Potential nutzt. In Italien übernimmt oft die Gemeinde die Pflege und Einrichtung von Klettergärten.

Leicht erreichbare Skitouren,
Wir haben im Gemeindegebiet Hindelang das beste Skitourenrevier in ganz Deutschland. Die meisten Touren befinden rund um das Giebelhaus. Leider (oder zum Glück) sind diese nur logistisch aufwendig zu erreichen. Die Straße ist für den KFZ verkehr gesperrt, der Linienbus fährt in der Regel zu spät. Zu einem Bergsteigerdorf gehört es aber, dieses Potential zu nutzen und die Erreichbarkeit zu ermöglichen. Ein Sammeltaxi oder das von Mountain-Wilderness-Schweiz prämierte System des Tälertaxis wären eine Lösung die Erreichbarkeit außerhalb der der Busfahrzeiten zu ermöglichen. Die einzige wirklich lohnende Skitour direkt von Hinterstein aus,(Heubatspitze) führt unten durch dichten Wald. Hier wären die Freiflächen mittels Schneise gemäß dem Pfrontner Modell am Schönkahler zu verbinden.
Die Frage ist, ob wir das alles überhaupt wollen?

Auf den Bergsteiger abgestimmtes Übernachtungsangebot.
Je ambitionierter ein Bergsteiger ans Werk geht, umso wichtiger ist es, die aktuellen Verhältnisse zu berücksichtigen, wenn man seine Touren erfolgreich und sicher durchführen möchte. Man plant kurzfristig und legt das Ziel erst wenige Tage oder Stunden vor der Abfahrt fest. Man übernachtet vielleicht nur von Samstag auf Sonntag und wendet sich einem anderen Ziel zu, wenn dort die Bedingungen günstiger sind. Ein Bergsteigerdorf muss auf dieses Verhalten eingestellt sein.
Man braucht so zu sagen“ die Hütte im Tal“ Eine einfache und preiswerte Unterkunft, die unkompliziert und rasch verfügbar ist, aber auch über zubuchbaren Komfort und Leistungen für längere Aufenthalte verfügt.

Haben wir das? Der ehemalige „Steinadler“ oder der „Grüne Hut“ würden sich dafür eigenen. Hier ein Beispiel aus der Schweiz: http://www.mountainhostel.ch/de/mountain-hostel-grindelwald/unterkunft

Fazit:
Das Potential ist vorhanden. Um wirklich zum Bergsteigerdorf zuwerden sind noch einige Veränderungen nötig. Sonst bleibtder Titel eine leere Worthülse. Die Frage ist, ob wir in der Gemeinde Hindelang das wollen? Bei Abwägung von allem für und wider würde ich es befürworten, auch wenn ich dann mal neben anderen Einheimischen und Nachbarn aus dem Allgäuer Raum die Skitour oder den Fels mit einem „Bergsteigerurlauber“ teilen muss.
Seit der Regentschaft von Bürgermeister Martin hat es in der Gemeinde Hindelang einige positive Veränderungen gegeben. Adi Martin ist es also zuzutrauen, dass er auch hier die Weichen richtig stellt. Die Rolle des DAV sehe ich hingegen als fraglich an. Viel zu oft verstrickt sich dieser Moloch in eigenen Widersprüchen und vertritt Bergsteigerinteressen nur halbherzig oder gar nicht. Ein besserer Ansprechpartner dafür wäre die IG Klettern Allgäu. Mit dem Kletterkonzept am Besler oder der Sanierung im Klettergarten Weihar hat diese ihre Kompetenz in Bergsteigerangelegenheiten klar unter Beweis gestellt.

Wenn wir im Ostrachtal ein Bergsteigerdorf bekommen, so ist dies gut. Wenn nicht, so ist das auch in Ordnung. Nicht in Ordnung wäre es nur, sich mit dem Titel zu schmücken, ohne das „Bergsteigerdorf“ wirklich zu leben.


Definition Bergsteigen lt. Duden/Wikipedia

Das Bergsteigen ist eine Form des Bergsports und umfasst verschiedene Aktivitäten in Fels, Firn und Eis bzw. eine Kombination dessen, bis zum sogenannten Höhenbergsteigen Zum Winterbergsteigen gehören etwa Skitouren,Schneeschuhwandern und Eisklettern. Im erweiterten Sinn wird Bergsteigen auch als Alpinismus bezeichnet und umfasst Tätigkeiten wie Bergwandern, Alpinwandern und Trekking.

Anmerkung: Natürlich stehen uns im Ostrachtal keine Hochtouren zu Verfügung. Per Definition ist Bergsteigen jedoch mehr, als nur zum Prinz-Luitpold-Haus zu Wandern. Andere Definitionen betrachten als Bergsteigen den Bereich der irgendwo zwischen Wandern und Klettern liegt.

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Offline oliver

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Re:Hinterstein will erstes deutsches Bergsteigerdorf werden.
« Antwort #1 am: 20. Aug 2013 - 08:52 Uhr »
Ein weiteres Kriterium über das man sprechen könnte wäre für mich eine prägende Tradition, sprich ein Blick auf hervorgebrachte bekannte Bergsteigertöchter und Söhne oder eine lange Tradition an Bergführern.
Wie siehts damit aus?  :D
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Offline kleimber

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Re:Hinterstein will erstes deutsches Bergsteigerdorf werden.
« Antwort #2 am: 20. Aug 2013 - 10:22 Uhr »
Insbes. im Winter fehlt die Übernachtungsmöglichkeit am G(iebel)H(aus). (Wie viele Jahr(zehnt)e ist das eigentlich her?) Schwarzenberghütte ist am WE halt immer voll.

Bei der Größe des Gebäudes könnte man hier auch dem Luxus-Bergsteiger was bieten (Zimmer mit eigener Dusche/WC/Bad, Whirlpool, Thaimassage, "Zimmerservice" ;D ....)

Wg. Verbindung z.GH: Hier sollte dann eine Präparation ähnlich einer Loipe reichen, da wäre man mit Schi schneller unten (10 km, 400 hm) als mit dem Bus. Hoch könnte man am Vorabend bis zum GH (oder Schwarzenberghütte). Eine Präparation exakt in Straßenmitte wäre mit dem tagsüber fahrenden Bus verträglich, die Räder benutzen bekanntlich nur den äußersten Straßenrand.

Ich kenne übrigens keinen Gasthof, in dem man abends schon das Frühstück hingestellt bekommt, so dass man (insbesondere im Spätwinter ist das nötig) zu Sonnenaufgang aufbrechen oder einen Gipfelsonnenaufgang haben kann.

@Oliver: Bergführer kannst Du in Hindelang seit min 120 Jahren buchen.
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Offline Snowfinchen

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Re:Hinterstein will erstes deutsches Bergsteigerdorf werden.
« Antwort #3 am: 20. Aug 2013 - 10:32 Uhr »
Insbes. im Winter fehlt die Übernachtungsmöglichkeit am G(iebel)H(aus). (Wie viele Jahr(zehnt)e ist das eigentlich her?) Schwarzenberghütte ist am WE halt immer voll.

Einfach selbst die Übernachtungsmöglichkeit mitnehmen ....

http://www.alpic.net/forum/schneeschuhwanderungen/grosser-daumen-winterbiwak/
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Offline kleimber

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Re:Hinterstein will erstes deutsches Bergsteigerdorf werden.
« Antwort #4 am: 20. Aug 2013 - 10:52 Uhr »
Wg. Klettergärten: Einrichtung am Fels durch öffentliche Stellen ist in .de mangels Richtlinien/Vorschriften und aufgrund seltsamer gesetzlicher Fallstricke (Private und Vereine eröffnen keinen Verkehr, öffentliche Stellen hingegen evtl. schon) nicht möglich, in .at macht das das Bundesheer. Ich denke die IG Klettern macht das gut.

Sportkletterer als Zielgruppe halte ich ohnehin für wenig attraktiv, die geben für Übernachtung und Verpflegung am liebsten gar nichts aus, weil sie entweder kein Geld haben (Schüler/Studenten) oder es für den Klamottenwettlauf am Fels brauchen (Lifestyle) ;D . Denen reicht ein Platz zum Abstellen ihrer Transporter an landschaftsverträglicher Stelle. Wenn sich vielleicht noch herumspricht, dass da nicht auf Gras kontrolliert wird ... ;D

Was auch noch fehlt, ist eine durchgehende Busverbindung ins Tannheimer Tal oder Lechtal für die Rückfahrt nach einer Tour, die nicht wieder in Hinterstein endet. Außerhalb der Schisaison steht man am Oberjoch länger als man nach Hindelang läuft. Dass der letzte Bus um 18 Uhr in Hinterstein ist, ist ein Witz, da kann man alle Bemühungen um mehr öffentlichen Verkehr in die Tonne kloppen. Wer das Auto schon braucht, um Freitags nach der Arbeit nach Hinterstein zu fahren, der fährt am Samstag auch nicht mit dem Bus. Warum der Bus zum Giebelhaus keinen Anschluss an den Linienbus hat, kann mir auch niemand erklären.

Und sonst so:
Wanderer, die im Sommer früh Richtung Hochvogel starten, brauchen einen Fahrradverleih.
...
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Offline oliver

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Re:Hinterstein will erstes deutsches Bergsteigerdorf werden.
« Antwort #5 am: 20. Aug 2013 - 11:00 Uhr »
Und sonst so:
Wanderer, die im Sommer früh Richtung Hochvogel starten, brauchen einen Fahrradverleih.
...

Ansatzpunkt für die Bahn: Call-a-Bike Stationen an den Parkplätzen (Wasserwerk, Auf der Höhe) und am Giebelhaus. Die Einen radeln morgens rauf, die Anderen abends wieder runter. Wer kein Rad mehr erwischt - hat leider Pech gehabt  ;)
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Offline bergler1962

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Re:Hinterstein will erstes deutsches Bergsteigerdorf werden.
« Antwort #6 am: 20. Aug 2013 - 12:58 Uhr »

Ansatzpunkt für die Bahn: Call-a-Bike Stationen an den Parkplätzen (Wasserwerk, Auf der Höhe) und am Giebelhaus. Die Einen radeln morgens rauf, die Anderen abends wieder runter. Wer kein Rad mehr erwischt - hat leider Pech gehabt  ;)
Das wär doch ne Idee...   :)


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Offline kleimber

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Re:Hinterstein will erstes deutsches Bergsteigerdorf werden.
« Antwort #7 am: 20. Aug 2013 - 13:16 Uhr »
Die Einen radeln morgens rauf, die Anderen abends wieder runter. Wer kein Rad mehr erwischt - hat leider Pech gehabt  ;)
dann werden irgend wann mal alle Räder bei der Pointhütte stehen. OK, geht jetzt zu weit ins Detail.
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Offline Snowfinchen

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Re:Hinterstein will erstes deutsches Bergsteigerdorf werden.
« Antwort #8 am: 20. Aug 2013 - 13:18 Uhr »
Die Einen radeln morgens rauf, die Anderen abends wieder runter. Wer kein Rad mehr erwischt - hat leider Pech gehabt  ;)
dann werden irgend wann mal alle Räder bei der Pointhütte stehen.

i trau mi jetzt und behaupte genau des Gegenteil, ausser an dene Leihteile isch a E-Motor dran *lol*
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Offline zapfenwolfi

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Re:Hinterstein will erstes deutsches Bergsteigerdorf werden.
« Antwort #9 am: 20. Aug 2013 - 15:46 Uhr »
betreffs Zielgruppe Sportkletterer:
Zitat:
Sportkletterer als Zielgruppe halte ich ohnehin für wenig attraktiv, die geben für Übernachtung und Verpflegung am liebsten gar nichts aus, weil sie entweder kein Geld haben (Schüler/Studenten) oder es für den Klamottenwettlauf am Fels brauchen (Lifestyle)  . Denen reicht ein Platz zum Abstellen ihrer Transporter an landschaftsverträglicher Stelle. Wenn sich vielleicht noch herumspricht, dass da nicht auf Gras kontrolliert wird ...

Nett gschrieben, aber vielleicht teilweise schon überholt?
die früheren Asketen, Alpinrevoluzzer und Outlaws haben auch längst den Marsch durch die Institutionen begonnen oder vollendet - und nicht alle, die nicht mehr irgendwo im Graben pennen wollen, haben einen Luxuscamper, wollen aber auch mal unkompliziert und bequem übernachten - Kaffeetrinken war schon seit jeher integraler Bestandteil des Kletterns.

In der Schweiz gibt es auf jeden Fall den Typus "Konsumkletterer" (wobei Konsum hier auf die Nutzung der örtlichen Infrstruktur bezogen ist).

PS: ich weiss, wovon ich spreche  ;)

PS2: für Sportkletterer wohl attraktivstes Gebiet um Hinterstein wäre doch der Grind - wie ist denn da der Haken bzw -Sanierungszustand? - Gibt es schon einen absturzsicheren  Einstiegsstreifen?
« Letzte Änderung: 20. Aug 2013 - 23:11 Uhr von zapfenwolfi »
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